Thesen des Manifests werden angenagelt

Zur Übergabe des Münchner Manifests werden die Thesen an die Tür des bayerischen Kultusministeriums genagelt

 

Endlich ist es soweit…. Alle Beteiligten des 04.02.2017 waren schon sehr gespannt. Die redaktionelle Überarbeitung hat sich etwas hingezogen, doch nun wird das Münchner Manifest zum Lernen im 21. Jahrhundert endlich an die Verantwortlichen überreicht.

 

Um 14.30 Uhr werden die Thesen in einem symbolischen Akt an die Tür des bayerischen Kultusministeriums “genagelt”. – Eine Dokumentation dessen wird natürlich folgen!

 

Das Münchner Münchner Manifest zum Lernen im 21. Jahrhundert wird an die Verantwortlichen für Bildung in München und Bayern übergeben.

Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle kann leider wegen dringender Auswärtstermine nicht selbst anwesend sein. Für ihn nimmt stellvertretend der Pressesprecher Dr. Ludwig Unger das Manifest entgegen.

Ebenso bedauern wir die Terminfülle unserer drei Münchner Bürgermeister, sowie der Stadtschulrätin Frau Beatrix Zurek.

Alle unsere geladenen Gäste bekommen einen Ausdruck des Manifests entweder bei Anwesenheit persönlich überreicht, oder bei Abwesenheit per Post.

 

Alle ANDEREN können sich das Manifest HIER herunterladen, oder untenstehend lesen:

 

Münchner Manifest

Münchner Manifest

Lernen im 21. Jahrhundert

Erstellt am 4. Februar 2017

 

Begeisterung, Neugier und Gefühle, das sind wichtige Motoren für nachhaltiges Lernen und Verstehen. In unseren Schulen spielt das heute kaum eine Rolle. Gesellschaft und Wirtschaft aber brauchen eine Jugend, die sich motiviert und selbstbestimmt bildet und Gemeinschaft gestalten will. Trotz jahrzehntelanger Debatten über Reformen legen unsere Schulen immer noch zu viel Wert auf auswendig gelerntes Prüfungswissen. Schüler, Eltern und Lehrer leiden zunehmend unter der aktuellen Situation.

Im Ausland finden bereits heute große Veränderungen statt: 2016 haben 193 Staaten die „Global Goals“ verabschiedet – Perspektiven für eine nachhaltige Entwicklung und eine menschenwürdige Zukunft. Darin enthalten: Ziele für eine „hochwertige Bildung“. Schon heute orientieren sich Länder wie Österreich oder Finnland an diesen Vorgaben und bauen ihr Bildungssystem entsprechend um. Deutschland darf hier nicht zum Schlusslicht werden.

 

Am 4. Februar 2017 trafen sich deshalb zahlreiche Initiativen, Institutionen und an der Zukunft der Bildung interessierte Bürger. Über 300 Mitwirkende diskutierten dabei in fünf Workshops folgende Leitmotive:

  • Leitmotiv 1: Wissensvermittlung ist nicht alles
  • Leitmotiv 2: Lust auf Leben und Lernen
  • Leitmotiv 3: Eine Schule für die Zukunft
  • Leitmotiv 4: Orientierung an gelingenden Beispielen
  • Leitmotiv 5: Impulse von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern

Die mehrstündige Veranstaltung wurde durch Jeanne Turczynski vom Bayerischen Rundfunk moderiert und mittels einer YouTube-Liveschaltung im Internet verfolgt.

Als Ergebnis aus den Workshops wurden diese drei Kernpunkte festgehalten:

  • Demokratie erleben statt Steuerung von außen
  • Beziehung statt Leistungsdruck
  • Lebensnähe statt Lehrplan

 

Mit diesen Kernpunkten gibt das Münchner Manifest Impulse, wie Lernen und Leben an den Schulen im 21. Jahrhundert besser gelingen kann und wie Schulen zu einem zeitgemäßen Startort für das Leben werden können.

Uns interessiert Ihre Meinung zu den drei Kernpunkten und wir bitten um Ihre Stellungnahme, um diese an die Ersteller des Münchner Manifests und Experten aus unseren Reihen weiterleiten zu können. Wir haben bewusst darauf verzichtet, die nachstehenden Formulierungen weiter zu professionalisieren – sie entsprechen den Ergebnissen des Bürgerwillens aus den Workshops und sollen als Säulen für die Fortentwicklung der Systeme Schule und Lernen im 21. Jahrhundert dienen.

 

Demokratie erleben statt Steuerung von außen

Unsere Gesellschaft basiert auf demokratischen Strukturen, die heranwachsende Generationen üben müssen.

Damit Schule dieser Voraussetzung unserer Gesellschaft gerecht wird, muss sie Räume für Mitbestimmung bieten. Dazu braucht es Freiheiten für inner- und außerschulische Lernformen. Ebenso benötigen Rektoren, Lehrer und Pädagogen mehr organisatorische und inhaltliche Freiheiten:

  • Demokratische Mitbestimmung erzeugt Sinn und Verantwortung. Schüler erleben dadurch, dass sie etwas bewirken können.
  • Prozesse, in denen demokratische und humanistische Werte eingeübt werden können, unterstützen die Transformation und Innovation im Schulsystem.
  • Mehr Mut und Vertrauen in selbstorganisierende Systeme lässt Kinder Demokratie leben.
  • Selbstbestimmtes Lernen in Lernbüros mit Lehrern als Lernbegleiter, Lehrer-Schüler-Elterngespräche auf Augenhöhe sowie eine gesunde Feedbackkultur fördern Lernerfolge.
  • Bildungspflicht anstelle Schulpflicht.

Um Schulen solche Freiheiten zu geben, sind Gesetzesänderungen notwendig!

 

Beziehung statt Leistungsdruck

Der Leistungsdruck, dem Schüler, Eltern und Lehrer ausgesetzt sind, steht im Gegensatz zu den Bedürfnissen unserer Gesellschaft und Wirtschaft.

Um gute Leistungen zu ermöglichen, brauchen wir in unseren Schulen mehr Wertschätzung und mehr Konfliktarbeit zur Förderung sozialer Kompetenz:

  • Kein Kind darf beschämt werden, indem es etwa vor der Klasse ausgefragt wird oder Noten öffentlich verkündet werden.
  • Die Persönlichkeit von Schülern muss mehr beachtet werden. Der Unterricht hat sich an ihren Interessen und Stärken zu orientieren.
  • Die Förderung der Sozialkompetenz (das Zusammenspiel von Denken und Fühlen oder anders formuliert die Herzenergie) erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Dies braucht mehr Zeit und Raum.
  • Notwendig sind geschützte Räume für Schüler und Lehrer, in denen sie sich wohlfühlen, begegnen und in die sie sich zurückziehen können.

 

Für die Erhöhung der Leistungsbereitschaft braucht es die Möglichkeit für individuelle Lernwege mit Lernbegleitern, die Beziehungen aufbauen können:

  • Um Lerninhalte zu verstehen, braucht es Zeit für selbstbestimmtes Lernen. So werden Sinnzusammenhänge erfasst, das Denken angestoßen und nicht nur Inhalte konsumiert.
  • Die Vielfalt der Schüler fordert eine Vielfalt der Lernmöglichkeiten.
  • Lernen läuft über Beziehung. Beziehungsaufbau kann nur geschehen, wenn Lehrer kleine Lerngruppen haben. So können sie wertschätzende Rückmeldung geben und dadurch ermutigen.

 

Schulnoten und Selektion produzieren Angst. Ängstliche Menschen lernen schlecht. Eine angstfreie Umgebung braucht:

  • Eine positive Fehlerkultur. Freiräume und Vertrauen statt Kontrolle. Kompetenzgespräche statt Noten – und Mut zum Experimentieren. Nur das ermöglicht nachhaltiges Lernen.
  • 360-Grad-Feedback für alle am Lernprozess Beteiligten.
  • Die Abschaffung von Übertrittszeugnissen und Ziffernnoten mindert die Versagensangst.

 

Funktionierende und leistungsstarke Teams leben von der Vielfalt. Dazu braucht es:

  • Altersübergreifende Lerngruppen. Hier erleben sich Schüler als kompetent und erhalten Unterstützung aus der Gruppe.
  • Ein Tutorensystem, denn Schüler sind manchmal die „besseren“ Lehrer. (Lernen durch Lehren).
  • Eine Umgebung, in der Selbstverantwortung gelebt und geübt werden kann.

 

Die Lehreraus- und -fortbildung muss sich verändern:

  • Wir brauchen Lehrer mit Begeisterung und persönlicher Eignung.
  • Teamteaching, gegenseitige Hospitation und Supervision sind selbstverständlich.
  • Der Lehrer wird zum Lernbegleiter, Lern-Coach und Vernetzer. In dieser Rolle versteht er sich nicht nur als Wissensvermittler, sondern unterstützt die Schüler auch in ihrer persönlichen Entwicklung.
  • Motivation der Schüler kann nur gelingen, wenn es auch dem Lehrer gut geht. Autonomie in der Unterrichtsgestaltung ist eine wichtige Voraussetzung.

 

Lebensnähe statt Lehrplan

Für das Leben lernen wir, nicht für die Schule. Für Lebensnähe sorgt projektorientiertes Lernen auf allen Ebenen:

  • Lernen ist ein Vernetzungsprozess. Reine Wissensvermittlung in Einzelfächern verhindert die Vernetzung. Neben Alltagskompetenzen (Schreiben, Rechnen, Lesen, Kommunikation) müssen Metakompetenzen wie u.a. Selbstorganisation entwickelt werden.
  • Lernen verändert Gehirnstrukturen. Das passiert am effektivsten durch Emotionen. Deshalb braucht die Schule den Kontakt mit dem Leben.
  • Soziales Engagement und die Einbindung außerschulischer Lernorte, wie z. B. Altenheime, Theater oder Maker-Spaces, eröffnen dem Schüler zusätzliche Perspektiven auf die Gesellschaft.
  • Schüler brauchen Möglichkeiten, um in unterschiedlichen Gruppen, z. B. mit Experten aus der Wirtschaft, mit Künstlern und Coaches, an ihren eigenen Themen zu lernen.

Durch Zeit für Muße und Nichtstun entstehen wertvolle Lernräume, die durch die eigenen Erfahrungen Lernzuwachs ermöglichen, der nicht durch Unterricht vermittelt werden kann.

 

Bewegung ist nicht nur gesund, sondern fördert auch das Lernen:

  • Bewegung stärkt die Motivation; Schulordnungen müssen mehr Bewegung zulassen, im Unterricht ebenso wie durch externe Aktivitäten.

 

Digitalisierung darf heute nicht mehr ausgeklammert werden. Damit sich Schüler in der zunehmend digitalisierten Welt sicher und selbstbestimmt bewegen können, brauchen sie Orientierung.

  • Digitalisierung soll ein Hilfsmittel im Dienst der Menschen sein, etwa durch die Vermittlung von Wissen anhand digital abrufbarer Lerneinheiten, z. B. im „flipped classroom“.
  • Schüler müssen auf die digitale Zukunft vorbereitet werden. Hier sind Kompetenzen wie Finden, Bewerten, Einordnen und die Weiterentwicklung des Wissens im Netz von Bedeutung.

 

 

 

Um den Lesefluss zu erleichtern, wurde für beide Geschlechter jeweils die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind damit ALLE Menschen gemeint.

 

Erstellt durch alle Teilnehmer der Veranstaltung am 04.02.2017 in München.

Redaktionell überarbeitet durch Natascha Haase, Alexandra Lux und Thomas Becker.

 

Anlagen:

Unterschriftenlisten der Teilnehmer

 

1 Kommentar

  1. Jessica

    Gratulation zum Münchner Manifest!
    Ich freue mich gerade sehr, dass unsere BLAUEN STUDIENFACHPROGRAMME für Klassenfahrten genau ich die hier beschriebene selbstbestimmte und teamorientierte Art zu lernen passen. 🙂
    Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass SchülerInnen mit Freude und engagiert lernen, wenn sie emotionalisiert sind.

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